von Thomas Wehmeyer, Fotos: Enrico Haase et al.
Lena Herrmann ist zurzeit die stärkste Kletterin Deutschlands und Mitglied im AlpinClub-Hannover. Ein guter Grund, sie euch einmal näher vorzustellen.
AlpinClub: Hallo Lena. 2015 war für Dich in vieler Hinsicht ein bemerkenswertes Jahr. Bevor wir aber darauf eingehen, würde uns interessieren, wie Du überhaupt zum Klettern gekommen bist.
Lena: Danke, danke. Angefangen habe ich zusammen mit meiner Schwester, als wir noch ganz klein waren. Wir sind quasi ins Klettern hineingewachsen, weil Papa uns immer mit in den Wald an die Felsen nahm. Erst haben wir dort eher gespielt. Meine Schwester hatte in den späteren Jahren keine Lust mehr, da habe ich dann begonnen motivierter für kleine Projekte zu werden.
AlpinClub: Wie ging es dann weiter? Wann hast Du den Schritt vom Breitensport zum Leistungssport überschritten? Irgendwann zu dieser Zeit muss es doch auch gewesen sein, dass Du zum AlpinClub gestoßen bist?
Lena: Genau. Als wir in Hildesheim einen Boulderraum gebaut haben, sowie mit der Eröffnung der Boulderhalle Escaladrome hat sich mein Klettern intensiviert. Kurz danach bin ich dann in die Mittwochsgruppe des AlpinClubs gestoßen. Zu dem Zeitpunkt war ich etwa 12/13 Jahre alt. Hier habe ich auch meine ersten Freundschaften geschlossen mit etwa gleichaltrigen und ebenso motivierten Kids.
AlpinClub: Bald darauf hast Du dann Deine ersten Kletterwettkämpfe bestritten. Was hat Dich daran gereizt ins Wettkampfklettern einzusteigen, obwohl Du mit dem Klettern ja im Gegensatz zu vielen anderen Kletterern am Fels begonnen hast und nicht in der Halle?
Lena: Darüber habe ich schon öfters nachgedacht. Ich denke, dass ich wie viele meiner Freunde mitgerissen wurde. Alle haben mitgemacht, die Norddeutschen Meisterschaften waren in unserer Heimathalle. Außerdem war es für uns etwas ganz Großes, in den Kader zu kommen etc. Dann habe ich natürlich gute Ergebnisse gehabt, die dazu führten, weiterhin teilzunehmen. Jedoch hatte ich zu der Zeit noch keinen wirklichen Fokus. Ich hatte an beidem Spaß und habe nicht allzu sehr über die Zukunft nachgedacht.
AlpinClub: Du warst dann schnell Mitglied im Nationalkader, hattest national und international große Erfolge und bist trotzdem mit dem Wechsel aus den Jugendklassen zu den Senioren aus dem Wettkampfklettern ausgestiegen um Dich allein dem Felsklettern zu widmen. Was waren Deine Beweggründe?
Lena: Ich hatte zwar auch Sternstunden im Wettkampf, aber die meiste Zeit war ich mit meiner Leistung unzufrieden. 2013 habe ich mich dann entschieden im Wettkampf nur noch zu bouldern, was wirklich keine gute Entscheidung war. Mir war vieles zu wichtig und ich habe es vermisst, komplett fokussiert am Fels zu sein. Mich hat also die Lust für den Wettkampf verlassen, zu einem ziemlich guten Zeitpunkt wie ich nun sagen kann.
AlpinClub: Deine Leistungen am Fels bestätigen Deine Entscheidung. Du hast da gleich ordentlich Gas gegeben und 2015 konnte man dann geradezu von einer Leistungsexplosion sprechen. Was hast Du geändert oder neu gemacht, um innerhalb dieser doch recht kurzen Zeit bis in den 11ten Schwierigkeitsgrad vorzustoßen.
Lena: Ich denke der Grund war unter anderem ein sehr erfolgreiches und striktes Wintertraining, was ich in Frankreich mit meinem Freund gemacht habe. Außerdem ist es wichtig, vollstes Vertrauen in die Leute zu haben, mit denen man seine Planung macht. Ich freue mich, dass das mit Ralf gut klappt. Darüber hinaus hat mir das ungewohnte Trainingsumfeld Schwächen aufgezeigt, die ich davor als Stärken gezählt hätte, wie beispielsweise Ausdauer oder Leistenstrom. Soviel zum physischen Aspekt. Mental habe ich mich in dieser Saison befreiter gefühlt und selbstbewusster.
AlpinClub: Bleiben wir mal beim mentalen Aspekt, denn neben den vielen Erfolgen und schönen Momenten musstest Du 2015 auch den frühen Tod Deines Vaters verarbeiten. Er war von Anfang an eng mit Deiner Kletterei verbunden. Hat es Dich gepushed, dass er Deine erste 8c noch erleben sollte?
Lena: Der Tod meines Vaters war definitiv nicht leicht. Allerdings war er absehbar und ich habe gelernt, dass es schlimmeren Schmerz gibt, als einen geliebten Menschen für immer zu verlieren. Mein Papa stand mir sehr, sehr nah. Ihn über ein Jahr lang mit ständigen Höllenschmerzen -physisch und auch psychisch- zu erleben, hat mich sehr verletzt und belastet. Wie sehr es mich belastet hat, merkte ich erst während seines Sterbeprozesses. Meine erste 11- zu klettern und ihm dies noch zu berichten, war in dem Moment, wo ich wusste, dass er nur noch ein paar Wochen lebt, mein einziges Ziel. In der Zeit war ich mit dem Felskader unterwegs und ich habe einen unglaublichen Rückhalt von meinem Trainer und Teammitgliedern bekommen. Am Tag, als mir die Tour dann gelang, bin ich das erste Mal am Umlenker gewesen und mir sind wirklich die Tränen geflossen. Dadurch, dass ich meinen Papa gehen lassen konnte mit dem Wissen, dass er keinen Schmerz mehr hat und dass ich ihm alles gesagt hab, was ich ihm immer sagen wollte, haben wir uns quasi lächelnd verabschiedet. Natürlich hat es geschmerzt und ich war todtraurig aber auch irgendwie erleichtert. Und mit dem Wissen, dass es meiner Mama und Schwester so ging wie mir, war ich mental befreit irgendwie. Aber denken tue ich jeden Tag an ihn.
AlpinClub: Nach diesen Worten ist es auch für mich nicht leicht, einfach so mit dem Interview fortzufahren. Deine Leistung blieb nach Deiner ersten 8c konstant hoch und Du konntest recht bald zwei weitere Routen in diesem Schwierigkeitsgrad klettern. Auf diesem Leistungshoch hast Du Dich dann zu einem Comeback beim Wettkampfklettern endschieden. Brauchtest Du die Abwechslung, oder was waren Deine Beweggründe?
Lena: Zu der Wettkampfteilnahme haben mich eher andere Leute inspiriert. Das waren Ralf und mein Freund. Ich hatte also schon seit dem Frühjahr seicht den Plan teilzunehmen, wollte aber abwarten, wie sich die Form entwickelt. Da sie ja gut blieb, habe ich fix geplant teilzunehmen.
AlpinClub: Am Ende warst Du dann Deutsche Lead-Meisterin bei den Damen. Ein toller Saison-Abschluss. Was sind Deine Pläne für 2016?
Lena: Definitiv super. Ich habe mich sehr gefreut, da ich die vergangenen Jahre nie wirklich zufrieden mit meiner Leistung im Lead-Wettkampf war. Schön also, dass ich auch in dieser Disziplin zufrieden mit mir selbst sein kann. Für 2016 habe ich was das Felsklettern betrifft ganz klare Ziele. Ich hab noch ein Projekt offen von dieser Saison, der Rest ist noch nicht der Rede wert ;-) Erstmal möchte ich wieder einen sauberen Trainingswinter verletzungsfrei über die Bühne bringen.
AlpinClub: Neben dem Felsklettern bist Du jetzt auch wieder Mitglied im Deutschen Nationalkader. Können wir Dich 2016 wieder auf Weltcups sehen?
Lena: Ja im Lead. Ich setze aber auf wenige. Momentan sind zwei geplant. An meinem Fokus hat sich aber weiterhin nichts weiter geändert. Aber ich bin interessiert, wie es sich so anfühlt auf den „großen“ Weltcups in Chamonix und in Briançon dabei zu sein.
AlpinClub: Das alles klingt nach einem vollen Programm. Hinzu kommt, dass Du seit letztem Herbst auch studierst. Wie bekommst Du das zeitlich alles auf die Reihe?
Lena: Glücklicherweise lässt mein Studiengang mir noch genügend Freiraum für den Klettersport. Dazu gehört aber auch Disziplin und den Wecker mal früh stellen. Ich hoffe natürlich, dass das in Zukunft so bleiben wird.
AlpinClub: Eine letzte Frage noch. Im AlpinClub trainieren viele talentierte und hoch motivierte Kids. Für die bist Du ein großes Vorbild. Was würdest Du denen mit auf den Weg geben, damit sie vielleicht einmal genauso stark wie Du werden?
Lena: Ich denke, niemals den Spaß und die Motivation zu verlieren, ist am allerwichtigsten. Und wenn der Wille groß genug ist, gibt es nichts Unerreichbares!
Weitere Informationen zu Lena findet Ihr in ihrem Blog www.lenaherrmann.blogspot.de